Gastkommentare

Man kann von Facebook halten, was man will. Für eines ist es jedoch gut: Man wird auf Dinge aufmerksam, die man sonst nie suchen geschweige denn lesen würde. Was ich heute am 30. Jänner las, erklärte mir einiges.

Worum ging es:

Ein Abgeordneter unserer christlichen Union gastkommentierte im Handelsblatt. Und er prophezeite den letzten finalen Endkampf zwischen der Gemeinde des Internets und den menschlichen Dinosauriern (der Meinung des Gastkommentators nach haben die „digital natives” den Rest der Menschheit zu Dinosauriern erklärt), die sich noch nicht den Segnungen des WWN, des weltweiten Netzes hingeben. Und diese „Dinosaurier” stellen seiner Ansicht nach die Mehrheit aller Menschen. Was aber noch wichtiger ist: Die Netzgemeinde wird diesen letzten finalen Endkampf verlieren!

Was sagt uns das jetzt? Nun, es könnte ein Hinweis darauf sein, was am 20. Dezember 2012 geschieht. Ich sehe es vor meinen Augen, als säße ich in der großen Kommentatorenkabine des Zentralstadions im lauschigen Örtchen Harmagedon. Armageddon, wie die meisten wohl sagen würden. Dort auf der linken Seite bauen die „digitalen Maoisten” Befestigungsanlagen. Rechts (wo sonst) marschiert das gerechte Heer der Netzverweigerer auf. In geordneten Reihen. Milliarden tapferer Streiter für die gerechte Sache formieren sich, die höchst eindrucksvolle Lineartaktik Friedrich Wilhelm I. von Preußen adaptierend, Blöcke, Stifte und Bücher gegen die mit Tablets und Smartphones bewehrte Internetgemeinde schwingend.

Anpfiff! Die Netzlosen stürmen vorwärts. Bleistifte fliegen durch die Luft. Die erste Reihe der Netzgemeinde hebt entschlossen ihre Edletablets mit Magnesiumgehäusen und formt einen Schildwall, undurchdringbar für Bleistifte. Doch die linke Flanke wankt. Der Schildwall hat eine Lücke 138 Mitglieder der Netzgemeinde verlieren ihre iPhones und sinken mit Bleistiftplatzwunden zu Boden. Die erste Salve verebbt. Die Netzgemeinde ist am Zug und kontert mit massivem WLAN-Beschuss. Ohne in ihrem Ansturm innezuhalten heben die glorreichen Helden auf der netzverweigernden Seite die Druckausgaben von SOPA und PIPA (zwei US-amerikanische Gesetzentwürfe, deren „geistige Väter” hehre Ziel vorgaukeln – Anm. d. Red.) als Firewall und wehren den Gegenschlag mühelos ab.

Da! Ein Keil der Gerechten Armee der Netzlosen dringt in die Bresche an der linken Flanke der Netzgemeinde. Was für eine Schlacht! Was für ein Gemetzel! Die Netzgemeinde wankt, ängstlich duckt man sich vor fliegenden Papierbällen. Entsetzt schützen schützen die Mitglieder der Gemeinde ihre Augen vor dem Inferno der Buchstaben, das ihnen aus der Bibel, dem Kommunistischen Manifest und dem Herrn der Ringe entgegengeschleudert wird. Eine Springflut aus Netzverweigerern brandet der Gemeinde entgegen und überrollt sie förmlich. Die Netzgemeinde ist chancenlos. Sie ist zahlenmäßig hoffnungslos unterlegen, desorientiert. Die Hände gen Himmel hebend erfleht sie den Schutz der Cloud, doch just in dem Augenblick, in dem sich ein trügerischer Lichtschein am Rande der Festplatte zeigt, holt der Gegner zum letzten und entscheidenden Schlag aus: Nazgul gleich schweben Abmahnanwälte über der Gemeinde und geben ihr den Rest.

Was für ein Kampf, liebe Weltuntergangsgemeinde! Was für eine glorreiche letzte finale Entscheidungsschlacht! Der Große Prophet der Union behielt recht. Die Netzgemeinde ist am Ende. Die „digitalen Maoisten” liegen am Boden, vom Web 2.0 sind nur noch Trümmer übrig. Der Nebel der Schlacht hebt sich langsam. Brennende Serverfarmen tauchen den Horizont in orangerotes Licht. Verängstigte Netzgemeindler sind von den Engeln der Netzlosen umringt. Geduldig erklären diese den verblendetet Digitalen, was es mit Büchern auf sich hat. Raunendes Staunen zeigt sich auf den Gesichtern der staunenden Raunenden. Das Netz ist Geschichte. Hallelujah!

Einsam wandere ich durch die digitale Wüste, die diese Schlacht hinterlassen hat. Die Sonne scheint mir ins Gesicht. Alles ist friedlich. Lächelnde Gesichter entwöhnter Ex-Netzgemeindler blicken mir entgegen. Doch was ist das? Durch ein offenes Fenster mitten in Texas erblicke ich ein rhythmisches Blinken. Ich schaue durch das Fenster. Was blinkt da? Das ganze Internet ist weg. Also was … Moment! Oh! Nein, nicht das ganze Internet ist weg! Wie ein gallisches Dorf, das sich erfolgreiche gegen Cäsars Legionen wehrte, geht hier ein letzter Server brav und stoisch seiner Arbeit nach. Chuck Norris’ Facebook-Account ist noch online.

Ach ja: Wenn ihr wissen wollt, worüber ich eigentlich spreche, klickt mal hier.

Dieser Beitrag wurde in Allgemein hinterlassen und mit markiert. Setzen Sie den Permalink als Lesezeichen.

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *


2 + sieben =

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>