Die letzte Weihnacht

„Letztes Weihnachten gab ich Dir mein Herz …” Bald ist es wieder soweit. Bald, ganz bald tönt uns wieder auf jedem Radiosender gefühlte 25,3mal täglich „Last Christmas” entgegen. Ihr Lieben, spätestens jetzt müsste jeder das Gute am Weltuntergang erkennen: Im nächsten Jahr bleibt uns dieser Song erspart.

Überhaupt bleibt uns eine Menge erspart. Besonders in der Vorweihnachtszeit. Basteln wir uns kurz eine Liste der nervigsten Vorweihnachtsdinge:

1. der Kommerz: Egal wo man hinschaut, alles ist Weihnachten. Seit September gibt es Klebkuchen – äh, Lebkuchen – in den Supermärkten. Es ist nur Halloween zu verdanken, dass die Regale noch nicht mit Weihnachtsgeschenkangeboten voll sind. Wo ist die Besinnlichkeit hin, die Weihnachten eigentlich ausmacht? Warum muss ich mir zu Weihnachten einen neuen Großbildfernseher kaufen, bei dem ich 50% sparen (weil der Preis vorher vermutlich entsrpechend hoch kalkuliert war)? Ich spare übrigens sogar 100% beim Fernseherkauf: Ich kaufe keinen.

2. die Weihnachtsmärkte: Nichts gegen einen schönen Weihnachtsmarkt. Aber gibt es eigentlich noch wirkliche Weihnachtsmärkte? Es gibt im Grund nur zwei Varianten an Weihnachtsmärkte – den Rummel mit Achterbahn und Karussell und den mit den ewig gleichen Buden, die man zwei Querstraßen weiter auf einem anderen Weihnachtsmarkt auch findet. Zumindest fühlt es sich so an.

3. die artifikale Weihnachtsstimmung: Geht in der Vorweihnachtszeit in eine Einkaufspassage, eine Mall, wie man heutzutage so schön sagt. Als erstes werdet ihr von Weihnachtsschmuck erschlagen, gleich danach von weihnachtlicher Musik betäubt, denn aus jedem Lautsprecher tönt „Jingle Bells”, ausnahmsweise auch „Last Christmas”. Dabei scheint es nicht so zu sein, dass es EIN Jingle Bells ist. Nein, jedes Geschäft spielt sein eigenes Jingle Bells, so dass auf der Grenzlinie zwischen Geschäft und Korridor der Mall eine kleine „Jingle Bells”-Kakophonie entsteht. Wenn das der Versuch ist, die Menschen in weihnachtlicher Stimmung in den Geschäften zu halten, ist es kein Wunder, dass sich der Einzelhandel von Jahr zu Jahr über ein schlechteres Weihnachtsgeschäft beschwert.

4. DER Weihnachtshit aller Zeiten: Ja, als ich noch klein war, war „Wham” toll. Wir Jungs fanden die Musik gut, die Mädchen schwärmten für die Musiker. Besonders für Herrn Michael. Tja, Pech Mädels. Wenn aber jedes Jahr um dieselbe Zeit dasselbe Weihnachtslied aus dem Radio an meine Ohren dringt und es jedes Jahr wieder als Top-Hit behandelt wird, freue ich mich schon auf den Weltuntergang, um dieses Lied nicht mehr hören zu müssen.

Wobei … Möglicherweise gibt es einen Ort, an dem es weiter gedudelt wird. Ich stelle mir da einen Raum in der Nachwelt vor, in dem alle Radioredakteure eingesperrt werden. Dieser Raum ist vollgestellt mit Weihnachtsbäumen (natürlich künstliche, damit die Weihnachtsstimmung möglichst künstlich ist), an den Wänden hängen Weihnachtsgirlanden und die Luft ist mit Lebkuchenduft geschwängert und rund um die Uhr wird nur ein Lied gespielt. Richtig: Last Christmas. Keine Abwechslung durch Jingle Bells oder White Christmas. Nur dieses eine Lied. Nachdem die Radiomusikredakteure geschlossen den Raum betreten haben, wird die Tür verriegelt. Ich stelle mich vor das einzige Fenster im Raum, nehme das Mikrofon und verkünde: „Das ist für mehr als zwanzig Jahre, die ihr uns einmal im Jahr für knapp einen Monat mit einem und immer demselben Lied quältet!” Ein Vocoder lässt meine Stimme ein bisschen wie die von Darth Vader klingen. Und dann geht er los – der „Last Christmas”-Marathon.

Nein, glaubt nicht, dass ich die Jungs SO billig davonkommen lasse. Einmal am Tag gibt es eine Karaoke-Party. Die Musikkonserve wird abgestellt und zwei Stunden lang singen Hinz und Kunz dieses Lied – egal wie falsch sie singen. Und am Ende der Karaoke-Party singen Hinz und Kunz das Lied im Chor.

Oh ja, ich freue mich schon auf den Weltuntergang.

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